Infos für Führungskräfte

Infos für Führungskräfte

Führungskräfte mit Personalverantwortung müssen sowohl über Fachwissen als auch über Erfahrung verfügen, um ihre Teams zu stärken und stabil zu halten. Dies gilt unabhängig davon, ob ihre Mitarbeitenden physische Verletzungen wie einen Beinbruch, gesundheitliche Probleme wie Migräne oder psychische Erkrankungen erleben. Es ist von großer Bedeutung, dass das gesamte Team in diesen Prozess einbezogen wird. Insbesondere im Umgang mit Mitarbeitenden, die psychische Belastungen erfahren, ist es essenziell, dass Führungskräfte diese Herausforderungen mit Sensibilität und Kompetenz angehen, um Stigmatisierung am Arbeitsplatz zu verhindern oder zu minimieren, ohne dabei ihre eigene Energie zu erschöpfen.

Die nachfolgenden Informationen sind dazu gedacht, Ihnen Unterstützung anzubieten und Ihnen bei der Bewältigung dieser Aufgabe behilflich zu sein. Gleichzeitig eröffnet die Beschäftigung mit diesem Thema die Chance, die Arbeitsweise in Ihrem eigenen Unternehmen kritisch zu reflektieren und proaktiv Schritte zur Vorbeugung von psychischen Erkrankungen zu unternehmen.

Erkennen, dass die oder der Mitarbeitende in einer Krise stecken könnte

Jede/r erlebt Krisen individuell und reagiert unterschiedlich. Deshalb sind dies nur Anhaltspunkte ohne Gewährleistung auf Vollständigkeit.

Arbeitsverhalten

Die/der Mitarbeitende

  • ist zunehmend unpünktlich (ohne erkennbare Gründe).
  • zeigt mangelnde Disziplin oder ein geringes Durchhaltevermögen (z. B. Arbeitsunterbrechungen, Pausen, Verlassen des Arbeitsplatzes).
  • fehlt zunehmend unentschuldigt, gibt Krankmeldungen verspätet ab.
  • ist häufiger für jeweils kurze Zeit krank.
  • leistet über einen längeren Zeitraum weniger als vorher, macht häufiger Fehler.
  • ist unzuverlässig.
  • mutet sich zuviel zu.
  • verbringt zu viel Zeit am Arbeitsplatz.

Ich nehme zunehmende Unsicherheiten im Arbeitsverhalten meiner/meines Mitarbeitenden wahr. Die/der Mitarbeitende

  • fragt bei bereits erlernten Arbeitsinhalten und Routinearbeiten häufig nach.
  •  kontrolliert ihre/seine ausgeführten Aufgaben mehrfach nach.
  • vermeidet bestimmte Tätigkeiten, z. B. Telefonate und/oder Kundenkontakte.
  • zeigt sich auffällig schreckhaft, ängstlich.

Sozialverhalten

Die/der Mitarbeitende

  • vermeidet Kontakte zu Kolleg:innen und Vorgesetzten in Dienstbesprechungen, Pausen oder bei Feierlichkeiten.

  • verhält sich distanzlos gegenüber Vorgesetzten und Kolleg:innen
  • reagiert extrem empfindlich auf Kritik.
  • ist sehr misstrauisch gegenüber ihren/seinen Kolleg:innen und Vorgesetzten.

  • äußert außerordentlich heftige Kritik und/oder Vorwürfe.

  • reagiert überzogen gereizt oder aggressiv.
  • zeigt unerwartete und nicht berechenbare Reaktionen.
  • ist oft in sich versunken, abwesend, starrt vor sich hin.
  • wirkt sehr niedergeschlagen/traurig.

  • äußert realitätsferne Vorstellungen und Ansichten.
  • führt häufig Selbstgespräche.

Übergreifende Beeinträchtigungen

Die/der Mitarbeitende

  • klagt über Schlaflosigkeit, Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus und Erschöpfung am Arbeitsplatz.
  • wirkt außergewöhnlich unruhig und extrem angespannt.
  • vernachlässigt Kleidung und Körperpflege.
  • zeigt Hinweise auf (übermäßigen) Alkohol- und Drogenkonsum.
  • zeigt ein verändertes Essverhalten (isst kaum etwas oder isst extrem viel).
  • wirkt wie unter Strom, hyperaktiv.

Unsicherheit ist normal!

Habe ich das Recht, etwas zu unternehmen? Oder wäre das überzogen und unangemessen?
Wenn Sie Veränderungen bei Ihren Mitarbeitenden wahrnehmen, sollten Sie diese zeitnah ansprechen, um frühzeitig Unterstützung anbieten zu können und Ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. Häufig schafft ein wertschätzendes Gespräch schon erste Entlastung und Handlungs-perspektiven.

Wie lange soll ich warten, bevor ich aktiv werde? Löst sich das Problem vielleicht demnächst von alleine?
Erfahrungen zeigen, dass Führungskräfte nicht selten zu lange warten, bis sie aktiv werden, in der Hoffnung, dass sich das Problem von alleine löst. Das führt aber eher dazu, dass sich ein vermeintlich schützender Rahmen mit besonderen Regeln um die Mitarbeitenden legt, welcher letztendlich oft nicht hilfreich ist und unter Umständen das gesamte Team belastet und zu immer weniger Verständnis führt. Dies wiederum kann die psychische Gesundheit bei der betroffenen Person sogar eher verschlechtern.

Wie hoch ist die Gefahr, dass ich die Person kränke? Was, wenn sie sich im schlimmsten Fall dann etwas antut?
Wenn Sie die weiter unten genannten Gesprächs – und Verhaltensegeln einhalten, haben Sie Ihr Möglichstes getan, um einen offenen, wertschätzenden und empathischen Umgang zu finden. Wenn im Gespräch suizidale Gedanken geäußert werden, nehmen Sie diese ernst. Dies kann ein Hilferuf sein. Wenden Sie sich ggf. an Ihre:n Vorgesetzte:n zur Absicherung und an die entsprechenden Notfalldienste Ihres Kreises (siehe unten). Machen Sie Ihr Vorgehen gegenüber Ihrem/r Gesprächspartner:in transparent (z. B. „Diese Situation überfordert mich, da möchte ich gerne Rücksprache halten.“)
Das Folgeverhalten liegt in der Verantwortung Ihres Gegenübers!

Wie hoch ist möglicherweise die Aggressions- oder sogar Gewaltbereitschaft bei der Person? Begebe ich mich selbst in Gefahr, wenn ich die Situation anspreche?
Dies ist ein weit verbreitetes Stigma/Vorurteil über psychische Erkrankungen. Es gibt keine Belege, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung häufiger Gewaltstraftaten begehen. Aggressionen gegenüber Gegenständen und Gewaltbereitschaft einem Menschen gegenüber sind zwei verschiedene Eskalationsstufen. Das Eine bedingt nicht unbedingt das Andere. Oft hilft es, dem Gegenüber zu spiegeln, was es in Ihnen auslöst, z. B. Angst, Sorge: “Ich fühle mich bedroht.“

Sie müssen ein solches Gespräch nicht alleine führen. Machen Sie Ihr Vorgehen der betroffenen Person gegenüber transparent!

Suchen Sie das Gespräch mit der/dem betroffenen Mitarbeitenden!

Do´s

  • Suchen Sie das „4-Augen-Gespräch“, aber geben Sie der/dem Betroffenen die Möglichkeit sich auf ein Gespräch vorzubereiten und ihrerseits/seinerseits eine Vertrauensperson hinzuziehen.
  • Berichten Sie von Ihren Beobachtungen, Ihren Gedanken, Ihrer Besorgnis und auch Ihren Unsicherheiten. Beachten Sie dabei, dass es Ihre subjektiven Beobachtungen und Gedanken sind und keine gesicherten „Wahrheiten“.
  • Senden Sie „Ich-Botschaften“, z. B.: „Ich nehme wahr, dass …“
  • Ganz wichtig: primär zuhören und selbst eher wenig reden.
  • Lassen Sie unterschiedliche Wahrnehmungen zu und versuchen Sie, diese zu verstehen.
  • Lassen Sie das Gespräch ergebnisoffen: Seien Sie nicht auf die eigenen Lösungsvorstellungen fixiert. Jede/r hat ihren/seinen eigenen Blick auf eine Situation und entwickelt eigene Vorstellungen dazu, wie eine Lösung aussehen könnte. Dann passiert es häufig, dass man vehement für diesen Weg wirbt. Vom Gegenüber kann dies als starker Druck empfunden werden, diese Lösung zu akzeptieren. Deswegen ist es besser, sich und seine Ideen auch selbst zu hinterfragen. Offenheit für die Lösungsvorschläge der/des Betroffenen ist wichtig.
  • Geben Sie keine „therapeutischen“ Ratschläge.

Don´ts

  • Erzwingen Sie kein Gespräch mit der/dem Mitarbeiter:in, wenn diese:r deutlich macht, dass kein Interesse/keine Bereitschaft besteht.
  • Sprechen Sie die/den Mitarbeitende:n nie in großer Runde an.
  • Geben Sie als direkte Führungskraft die Verantwortung nicht an Interessenvertreter:innen (z. B. Betriebsrat oder Personalrat) ab: hieraus können leicht Verwicklungen entstehen, denn die Interessen-vertreter:innen müssen offen legen, dass die Führungskraft darum gebeten hat. Dies kann unter Umständen die Situation weiter verschärfen.
  • Vermeiden Sie, die/den Mitarbeiter:in innerlich als „psychisch krank“ einzuordnen oder gar entsprechend anzusprechen.
  • Stellen Sie die Ansprache von Fehlern bei der Arbeit oder Vorwürfe nicht in den Fokus des Gespräches.
  • Es ist nicht die Aufgabe von Führungskräften oder anderen Akteuren im Betrieb, Vermutungen über das Vorliegen psychischer Erkrankungen anzustellen oder gar Diagnosen zu stellen und es stehen ihnen auch nicht zu.

Mögliche Gesprächseinstiege

In jedem Unternehmen herrscht eine unterschiedliche Ansprache. Im Folgenden wurde bewusst sowohl die „Sie“ als auch die „Du“-Form eingesetzt, um die jeweiligen Umgangsformen innerhalb der Unternehmen abzubilden.

  • „Ich würde gerne einmal in Ruhe mit Ihnen sprechen, weil ich den Eindruck habe, dass es Ihnen nicht richtig gut geht.“
  • „Ich sehe …“ (Auffälligkeiten schildern), z. B.: „Sie erscheinen mir so blass. Das kenne ich gar nicht von Ihnen.“
  • „Ich habe den Eindruck, seit einiger Zeit passieren Ihnen häufiger Flüchtigkeitsfehler – das ist neu!“
  • „Es fällt mir auf, dass …“
  • „Mir scheint, dass …“
  • „Ich stelle fest, dass …“
  • „Ich mache mir Sorgen und möchte Sie unterstützen. Was brauchen Sie?“

Der/die Mitarbeitende geht auf das Gesprächsangebot ein:

Entscheiden Sie gemeinsam, ob/welche weiteren Stellen (auch externe) oder Personen (auch externe) einbezogen werden sollen und treffen Sie Absprachen, wie man eine weitere Verschlechterung der Situation verhindern könnte.
Vereinbaren Sie gleich einen konkreten Termin für ein Folgegespräch.

Signalisieren Sie: „Ich bin immer für Sie ansprechbar!“

Der/die Mitarbeitende lehnt das Gesprächsangebot ab:

Falls die oder der Mitarbeitende ein Gesprächsangebot ablehnt, das Signal geben: „Falls noch etwas sein sollte: Ich bin jederzeit ansprechbar.“

Verweisen Sie auf andere Gesprächspartner:innen: “Wenn Dinge Sie belasten, die Sie mit mir als Führungskraft nicht besprechen möchten – was ich verstehen kann – können Sie sich auch gerne an unsere z. B. Sozialberatung, Betriebsrat, Personalrat, Schwerbehindertenvertretung wenden.“ Verweisen Sie ebenfalls auf weitere externe Hilfeangebote (siehe unten).

Fürsorge plus arbeitsrechtliche Schritte

Wenn keinerlei Verbesserung der Situation eintritt und die betroffene Person nicht erkennen lässt, dass sie selbst bereit ist, nach Veränderungen zu suchen, ist das zunächst eine legitime Entscheidung. Als Führungskraft sollten Sie immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisieren.

Die Schwerbehindertenvertretung, die Sozialberatung, der Betriebsarzt oder der Betriebsrat/Personalrat können flankierend ebenfalls ihre Hilfe und Unterstützung anbieten.

Erst wenn die Arbeitsleistung erheblich leidet, ist es angemessen, mit dem Hinweis auf eventuelle arbeitsrechtliche Konsequenzen (zum Beispiel Ermahnung, Abmahnung oder Ähnliches) nachdrücklicher zu werden.

In einer solchen Situation sollten Sie mit den Betroffenen deutlich über die Situation und mögliche Folgen sprechen. Häufig erklären sich Betroffene dann bereit für ärztlichen Rat oder Behandlung.

Suchen Sie das Gespräch mit Kolleg:innen der/des betroffenen Mitarbeitenden, wenn die Verhaltensänderungen dort offensichtlich sind!

Psychische Krisen können auch bei den Menschen in der Umgebung starke Emotionen auslösen: Mitleid und Sorge, aber auch Ungeduld und Ärger.

Auch Kolleg:innen von betroffenen Mitarbeiter:innen brauchen Unterstützung, um angemessen mit der Situation umzugehen! Eine erhöhte Rücksichtnahme auf die betroffene Kolleg:in kann zu einer hohen Belastung einzelner Mitarbeiter:innen und/oder des gesamten Teams führen. Deshalb gilt: Kurzfristig können Appelle an die Geduld und die Bereitschaft der Kollegen, zeitweise Belastungen mitzutragen, helfen und zeitlichen Spielraum schaffen. Längerfristig muss dann allerdings eine zügige Suche nach funktionierenden Lösungen erfolgen, um die Mehrbelastungen des Kollegiums zeitnah wieder abbauen zu können.

Hilfe können Supervision und Teamsitzungen sein. Von Vorteil können auch Kooperationen mit Beratungsstellen im Einzugsgebiet sein.

Psychische Beeinträchtigungen bei Mitarbeitenden können auch in Zusammenhang mit hohen Arbeitsbelastungen stehen. Diese betreffen dann in der Regel das ganze Team. Sprechen Sie dieses Thema im Team an und suchen Sie im Bedarfsfall Maßnahmen, um die Bedingungen zu verbessern – am besten systematisch mit der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung.

Wichtig sind Gesprächsangebote für und mit allen Beteiligten!

Hier finden Sie Hilfe vor Ort

Wenn sich jemand in einer akuten, potentiell lebensbedrohlichen Notlage befindet, wählen Sie immer direkt die 112!

Übersicht und Verfügbarkeit von sozialpsychiatrischen/ gemeindepsychiatrischen Wegweisern in kreisfreien Städten und Kreisen in Schleswig-Holstein