Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen

Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz

Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz

Hintergrund

Psychische Belastungen, ob privat und/oder in der Arbeitswelt betreffen viele Arbeitnehmende. Aktuelle Krisen, wie z. B. die zurückliegende Pandemie oder weltweite Kriege und Konflikte können solche Belastungen verschärfen und die seelische Gesundheit weiter beeinträchtigen.

Am Arbeitsplatz treten die Belastungen mehr oder weniger deutlich auf und führen oft dazu, dass Betroffene stigmatisiert werden.
Natürlich ist nicht jede Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit gleich eine psychische Erkrankung. Aber permanente Überlastungen, ob im beruflichen oder im privaten Kontext, können zu einer solchen führen. Getuschel, oft hinter dem Rücken der oder des anderen, hilft jedoch niemandem.
Um hier entgegenzuwirken, hat die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein (LVGFSH) mit Förderung des Ministeriums für Justiz und Gesundheit  einen Expertenkreis zur „Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz“ ins Leben gerufen. Ziel ist, Führungskräfte, Betroffene sowie Kolleginnen und Kollegen für die Thematik zu sensibilisieren und niedrigschwellige Informationen und Hilfe anzubieten.

Kontakt bei der LVGFSH

Maren Moser

moser@lvgfsh.de
0431 – 710387 – 12

Dr. Petra Schulze-Lohmann

schulze-lohmann@lvgfsh.de
0431 – 710387 – 17

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Daten zu psychischen Erkrankungen

Der Psychreport der DAK-Gesundheit (2023) vermeldet einen gravierenden Anstieg psychischer Erkrankungen im Jahr 2022. Bezogen auf 2,4 Millionen DAK-Versicherte wurden je 100 Versicherte auf Bundesebene 301 Fehltage wegen dieser Erkrankungen gemeldet und damit um 48 % mehr als vor zehn Jahren. Besonders starke Anstiege zeigten sich im Vergleich zum Vorjahr bei jungen Berufstätigen im Alter von 25 bis 29 Jahren.

Laut Barmer-Gesundheitsreport (2023) gingen in Schleswig-Holstein im Jahr 2022 rund 18 % der Fehlzeiten auf psychische Erkrankungen zurück.

In Schleswig-Holstein wurde bei ca. einem Viertel der gesetzlich Kranken-versicherten zwischen 18 und unter 65 Jahren eine Diagnose in mindestens zwei Quartalen des Jahres 2022 im Bereich der psychischen und Verhaltensauffälligkeiten vertragsärztlich dokumentiert. (Vertragsärztliche Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Datensatz bereitgestellt 2023).

Im Jahr 2021 wurden in Schleswig-Holstein mehr als 32.000 stationäre (Krankenhaus)-Behandlungsfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen in der Altersgruppe ab 15 bis unter 65 Jahren verzeichnet. Die Krankheitskosten in Deutschland beliefen sich in dieser Erkrankungsgruppe im Jahr 2020 auf 680 Euro je Einwohner:in (Statistisches Bundesamt; gbe-bund.de; abgerufen am 16.10.2023).

Umgang mit psychischen Beeinträchtigungen

Nicht jede Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit ist gleich eine psychische Erkrankung, daher braucht es einen sorgfältigen Umgang bei der Verwendung von Beschreibungen hinsichtlich psychischer Beeinträchtigungen. Alle Menschen reagieren normalerweise auf Einflüsse von außen auf psychischer und oft auch körperlicher Ebene. Das können positive Reaktionen sein (z. B. Freude) oder negative (z. B. Ärger). Wie wir psychisch reagieren, hängt von der Art des Einflusses ab und von den Widerstandskräften (Ressourcen), die uns aktuell und aufgrund unserer biografischen Entwicklung zur Verfügung stehen.

Es geht zunächst um psychische Ausnahmesituationen und Krisen am Arbeitsplatz, die jeden Menschen betreffen können. Eine psychische Erkrankung braucht immer eine sorgfältige ärztliche Diagnose.

Obwohl die Wahrscheinlichkeit, mindestens einmal im Leben selbst von einer psychischen Erkrankung betroffen zu sein, sehr hoch ist, fehlt dem Umgang damit noch häufig die Alltäglichkeit, die angemessen wäre. So wird immer wieder von Erfahrungen der Stigmatisierung berichtet. Die Folgen sind vielfältig und reichen bis zur Nicht-Nutzung oder verspäteten Nutzung der bestehenden Hilfsangebote mit der Folge, dass Erkrankungen schwerer werden und sich leichter chronifizieren.

Mentale Gesundheit braucht alle!

Im Koalitionsvertrag von Schleswig-Holstein ist verankert, dass sich die Politik der Verantwortung stellt, in unserer Gesellschaft für eine Entstigmatisierung und Enttabuisierung psychischer Erkrankungen und der dazugehörigen hilfreichen Therapiemöglichkeiten einzutreten. Die gesamtgesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen haben das Ministerium für Justiz und Gesundheit (MJG) in Umsetzung des letzten Psychiatrieberichtes dazu veranlasst, das Thema Anti-Stigma-Arbeit zu bewegen.

Mit Förderung des MJG konnte die LVGFSH das Thema Entstigmatisierung in den Settings Schule und Arbeitswelt in das Themenspektrum aufnehmen und arbeitet seitdem mit Expert:innen in verschiedenen Arbeitsgruppen zu Fragen, (Weiter-)Entwicklungen und Lösungen zum Thema Stigmatisierung/Anti-Stigma-Arbeit/Psychische Erkrankung/Psychische Gesundheit.

Zum Setting Arbeitswelt wurde von der LVGFSH ein Expertenkreis etabliert, der das Ziel hat, zur Akzeptanz von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz beizutragen und den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen bzw. Mitarbeitenden zu fördern. Alle, die im beruflichen Kontext aktiv sind, können ihren Teil dazu beitragen, dass aus einer psychischen Belastung keine chronische Erkrankung wird.

Erste-Hilfe-Koffer für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz

Erste Hilfe Koffer

Mit dem „Erste-Hilfe-Koffer für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz“ sollen allen – Führungskräften, betroffenen Mitarbeitenden, Kolleg:innen – analog zum Vorgehen bei der Ersten Hilfe niedrigschwellige Unterstützungsangebote gegeben werden, die der Problematik der Stigmatisierug entgegenwirken. Auf den nachfolgend verlinkten Seiten finden Sie viele weitere Informationen.

Rechtliche Grundlagen bzw. Anforderungen

Jedes Unternehmen hat bestimmte rechtliche Verpflichtungen und eine Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer:innen (für ausführliche Informationen klicken Sie bitte +):

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Für Arbeitgebende besteht grundsätzlich keine umfassende Verpflichtung, das seelische Wohlergehen der Mitarbeiter:innen jederzeit zu überwachen und auf Störungen der Befindlichkeit umgehend zu reagieren.

Allerdings gehört es für Arbeitgebende nach BGB §618, gemäß ArbSchG §4 zur Fürsorgepflicht, Gefährdungen für die physische und psychische Gesundheit möglichst zu vermeiden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering zu halten. Das heißt, es geht darum, Einflüsse, die sich potenziell negativ auf die Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken können, zu reduzieren. Dazu gehören typischerweise ein dauerhaft hoher Zeitdruck, emotional stark belastende Tätigkeiten oder herabwürdigende soziale Beziehungen.

Wo sich diese negativen Einflüsse nicht ausreichend reduzieren lassen, müssen positive Einflüsse gestärkt werden, die z.B. einen besseren Umgang mit diesen Einflüssen ermöglichen oder durch höhere Anerkennung, Entscheidungsspielräume oder eine verbesserte Sinnhaftigkeit der Arbeit förderlich auf die Gesundheit einwirken können.
Mit der regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung (ArbSchG §5), die die psychischen Belastungen mit einschließt, verschaffen sich Arbeitgebende einen umfassenden Überblick und erkennen, wo sie aktiv werden müssen, um den Einfluss der Arbeit auf die Gesundheit möglichst positiv zu gestalten und damit Risiken für psychische (und physische) Erkrankungen zu vermeiden. Wer damit für gute Arbeitsbedingungen sorgt, hat die wesentlichen Verpflichtungen als Arbeitgeber:in schon erfüllt.

Die in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) entwickelten „Empfehlungen zur Berücksichtigung psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung“ sind eine anerkannte Referenz für die betriebliche Arbeitsschutzpraxis und stehen hier zum Download bereit.

Dennoch wird es immer wieder Mitarbeitende geben, die für eine Weile oder einen längeren Zeitraum psychisch beeinträchtigt wirken. Das kann vielfältige Ursachen haben, die in den Kontext der Arbeit gehören können oder auch privater Natur sind.

Auf Dauer sollte keine Führungskraft ignorieren, wenn es Mitarbeitenden nicht gut zu gehen scheint. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt es, die Gesundheit jeder/s Einzelnen zu erhalten. Häufig ist auch das gesamte Team betroffen von der Sorge um Kolleg:innen und möglicherweise auch von seiner oder ihrer veränderten Leistungsfähigkeit. Auch, wenn hier keine direkte gesetzliche Verpflichtung besteht, gibt es also Grund zu handeln!

Redseelig: Der trialogische Podcast ...

… der Eckhard Busch Stiftung rund um psychische Krisen, Erkrankungen und gegen das Stigma. Mit Betroffenen, Angehörigen und Expert*innen.
von und mit Bettina Busch und Paula Meßler